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Positive Räume – Wohngesundheit & New Urbanism

Die Moderne dominiert die Architektur, ist aber schlecht für die Menschen. Auf Grundlage unabhängiger Studien konnte festgestellt werden, dass Menschen überall auf der Welt gegenüber modernen Wolkenkratzer-Konstruktionen abgeneigt sind. Die Wissenschaft unterstützt diese Ansicht und zeigt, dass klassische Architektur geeigneter für das Wohlbefinden von Stadtbewohnern ist. Dennoch setzen viele Architekten aufgrund von Effizienz und Kostenminimierung immer noch auf einen modernen Stil, der die zukünftigen Nutzer wenig mit einbezieht.

Früher mussten Straßen nicht breit sein, da es weniger und vor allem andere Fortbewegungsmittel gab. Städte wurden so geplant, dass die Einwohner der Stadt immer nah am Zentrum wohnten. Privater Wohnraum und Büros waren oft im gleichen Gebäudekomplex anzutreffen und im Zentrum der Stadt ließ sich stets ein großer Markt finden, auf dem die Menschen einkaufen und miteinander interagieren konnten.

Um erneut an die positiven Räume der vergangenen Zeit anzuknüpfen, haben es sich einige Architekten und Stadtplaner zur Aufgabe gemacht, beim Bauen wieder vermehrt Fokus auf das Wohlbefinden der Menschen einzugehen. Die Rede ist vom sogenannten „New Urbanism“. Diese Bewegung lässt sich von historischen Stadtlandschaften und alten architektonischen Ansätzen inspirieren, die für uns Menschen angenehm wahrgenommen werden und gesund sind. Kommen Architekten und Bürger im Dialog zusammen und sprechen über ihre Vorstellungen zu positiven Räumen, so wird menschenfreundliche Architektur entstehen und unsere Städte werden schöner und gesünder.

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Nachhaltige Bauplanung – Wohngesundheit 

Definition Wohngesundheit: 

“Ein Gebäudezustand, der durch Minimierung von gesundheitsschädlichen Einflüssen für die Gesundheit optimale Bedingungen schafft und damit beitragen kann, die Gesundheit möglichst zu erhalten; Menschen mit besonderen Sensitivitäten gegenüber Umwelteinflüssen sogar eine Reduzierung ihrer Befindlichkeiten zu bieten und im Individualfall durch positive Effekte wie Licht und Farbe das Wohlbefinden sogar zu steigern“.

(Sentinel House Institut)

Den größten Teil unseres Lebens verbringen wir in geschlossenen Räumen. Um den Energiebedarf zu drosseln, werden unsere Häuser zudem immer dichter isoliert. Dies verhindert einen früher noch „normalen“ unkontrollierten Luftwechsel über Fugen und Ritzen beinahe vollständig. Luftqualität und Wohngesundheit nehmen daher auch beim Thema „nachhaltiges Bauen“ eine wichtige Rolle ein. Was auf den ersten Blick dank Energieersparnis sinnvoll wirkt, kann sich später als problematisch herausstellen. Die Konsultierung eines Baubiologen kann somit sowohl für die Wohngesundheit als auch für die nachhaltige Bauplanung von großem Nutzen sein.

Ein gesundes Raumklima erschaffen

Das Raumklima gilt als zentraler Dreh- und Angelpunkt bei der Gewährleistung von Wohngesundheit. Zunächst müssen die weitreichenden Auswirkungen der Baustoffwahl verinnerlicht werden. Der Preis, die Optik oder die Handhabung sollten hier hintenangestellt werden, denn es geht vor allem um gesundheitliche Auswirkungen dieser Entscheidung. Die Wahl ist deswegen so wichtig, weil nach wie vor viele Baustoffe schädliche Bestandteile in gesundheitsgefährdenden Ausmaßen enthalten.

Dabei geht es nicht nur um sichtbare Baustoffe, wie beispielsweise Decken- oder Bodenbeläge, sondern etwa auch um Grundierungen oder Klebstoffe. Besondere Betrachtung verdienen dabei die kritisch betrachteten VOCs. Hierbei handelt es sich um flüchtige organische Verbindungen, welche während ihres Lebenszyklus ausdampfen und gesundheitliche Beschwerden hervorrufen. Von Wohngesundheit kann bei Verwendung dieser Baumaterialien keineswegs gesprochen werden, zudem einige dieser Stoffe sogar im Verdacht stehen, krebserregend und hormonell wirksam zu sein.

Das Raumklima und die Innenraumluft sollten daher bereits in der Planung berücksichtigt werden, indem natürliche Baustoffe wie Stroh, Schafwolle oder Lehm verwendet werden. Ziel sollte stets eine lebenszyklusorientierte Planung sein, die nicht nur Kosten minimiert, sondern eine langfristige Nachhaltigkeit gewährleistet. Die Wohngesundheit beschäftigt sich also primär mit dem Schutz vor Gefahrstoffen und der Vermeidung belastender Bau- und Ausbaustoffe. Bei der Wahl des korrekten Baustoffs helfen sogenannte Volldeklarationen, also eine transparente Aufzählung aller Inhaltsstoffe eines Baumaterials.


Wie erreichen wir eine verbesserte Wohnqualität?

Neben der bewussten Auswahl des geeignetsten Baustoffs, können wir die Wohnqualität auch durch weitere Maßnahmen positiv beeinflussen.

Verbesserung der Luftqualität durch Komfortlüftung

Um die bereits angesprochene Luftqualität dauerhaft zu optimieren, können sog. Komfortlüftungen unter baubiologischer Anleitung implementiert werden. Dies minimiert zum einen den vom Menschen selbst verursachten CO2-Pegel und reduziert zum anderen alle, von den verwendeten Baumaterialien begünstigten, VOC-Einflüsse.

Der Faktor Mensch

Der Mensch ist ein soziales Wesen und benötigt Kommunikation und Austausch, um sich vollständig entfalten zu können. Neben wesentlichen Faktoren wie Erholungs- und Regenerationsmöglichkeiten im Gebäudekomplex sollte demnach Kommunikation durch intelligente Raumanordnung gefördert werden. Die meisten Wohnsiedlungen fördern jedoch Anonymität, Isolation und Entfremdung. Wohngesundheit und Wohnqualität schaffen also positive Räume in unseren eigenen vier Wänden. Die bereits angesprochene Bewegung des New Urbansim, geht noch einen Schritt weiter und wendet Erkenntnisse aus diesen Bereichen auf das gesamte Stadtbild an.

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New Urbanism

„New Urbanism („Neuer Urbanismus“) ist eine Bewegung im Städtebau, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in den USA entstanden ist. Feindbild der Bewegung ist der sogenannte sprawl bzw. die Zersiedelung, also die uferlose Ausbreitung der Städte in suburbane Siedlungen. Der New Urbanism kritisiert an dieser Wohnform den zwangsläufig hohen Individualverkehr mit entsprechendem Ressourcenverbrauch durch nicht vorhandene Fußgängerfreundlichkeit, die hohen Kosten für großflächige Infrastruktur (Straßen, Elektrizität, Kanalisation), die Zersiedelung der Landschaft sowie die Anonymität der Nachbarschaften.

(Quelle Wikipedia/ http://www.newurbanism.org/newurbanism/principles.html)

Das übergeordnete Ziel des New Urbanism ist die Entwicklung einer menschenfreundlichen Städteplanung, welche sich nach den Bedürfnissen der Stadtbewohner ausrichtet und sowohl nachhaltig ist als auch wohnpsychologische Aspekte bedient. Dabei orientiert sich die Bewegung am historischen Städtebild vergangener Zeiten. Die Stadt der Neuzeit ist eng und voll, Ressourcen werden nicht effizient genutzt. Stadtviertel sind segmentiert und von großen Straßen eingekesselt. Dem Automobil wird mehr Platz gewährt als dem Menschen und Grünflächen werden oft nur sporadisch als farbliche Abgrenzungen zu Hauptverkehrsadern eingesetzt.

Lebensqualität steigern

Das Auto soll keinesfalls aus deutschen Innenstätten verdrängt und auch die Arbeitswege ins Industrieviertel etc. sollen nicht abgeschafft werden. Es geht darum, mehr Platz für Fußgänger, Fahrradfahrer und öffentliche Verkehrsmittel zu schaffen sowie intelligente Lösungen zu finden. Verkehr muss neu gedacht und komfortables Fortbewegen für alle Bürger ermöglicht werden. Die Reduzierung von Abgasen und eine verminderte Lärmbelastung tragen ebenso zur Lebensqualität in Innenstädten bei.

Anbau statt Neubau

Städte sollen nicht unnötig in suburbane Siedlungen zerfließen, daher ist es besser nachzuverdichten. Jedes Dach ist dabei ein potenzieller Bauplatz. Seien es alte Industrieviertel, Parkhäuser oder Supermärkte, die Infrastrukturen sind bereits vorhanden und warten nur darauf, erschlossen zu werden.  Unter dem Arbeitstitel „Smart Rhino“ wird bspw. ein altes Gewerbegebiet in Dortmund zu einem neuen Stadtviertel umfunktioniert. Das Projekt lässt dabei Stimmen aus der Bevölkerung zu und geht in den Dialog mit den Einwohnern.

Nachhaltige Bauplanung - Wohnpsychologie

Ein weiterer Ansatz, um nachhaltige Städteplanung zu gewährleisten ist der wohnpsychologische Ansatz. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Erscheinungsbild des Wohnraums, in dem sich ein Mensch Zeit seines Lebens aufhält, maßgeblich an seinem Wohlbefinden beteiligt ist.

„Je unsicherer der Mensch ist, desto mehr Einfluss hat die räumliche Umgebung auf ihn und sein Wohlbefinden, sein Wohlfühlen und die Gesundheit." (Dr. Birgit Dietz, Architektin)

Dabei gibt es verschiedenen Kriterien, die ein positiver Raum bedienen muss:

·       Gute Akustik – Weniger Lärm = weniger Stress

·       Gute Lichtverhältnisse – Natürlicher Tag- und Nachtrhythmus

·       Natürliche Materialien – Behaglichkeit durch Sinneseindrücke

·       Natureindrücke – Blick auf den Garten, Stadtpark, Wald etc. gewährleisten

·       Begegnungsorte schaffen – Dachgärten zur gemeinsamen Nutzung

·       Barrierefreiheit – Gleiche Voraussetzung für alle schaffen

„Wohnpsychologie, Teilgebiet der Architekturpsychologie, beschäftigt sich mit der Wirkung der Wohnumwelt auf Menschen (Kinder, Frauen, Männer, Ältere, Behinderte, Singles, Familien, Nachbarn) und fragt nach der Wohnzufriedenheit bzw. dem psychischen, sozialen und physischen Wohlbefinden der Nutzer (Bewohner, Besucher, Passanten), nach Wohnbedürfnissen, Wünschen, Ortsbindung und Identität, dem "Zuhause", nach Konflikten, Umzugsabsichten und Mobilität“.

(https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/wohnpsychologie/16946)

Kosten sparen dank Architekturpsychologie

Wohnpsychologisches Wissen wird im Bauwesen bisher maximal stiefmütterlich behandelt. Laut Dr. Harald Deinsberger-Deinsweger sind daher ganze Wohnprojekte aufgrund wohnpsychologischer Defizite gescheitert. Dies spiegelt sich in Leerständen oder der Anfälligkeit für häufige Mieterfluktuation, sowie Vandalismus, Einbruch, Diebstahl und Verwahrlosung der fehlerhaft geplanten Gebäudekomplexe wider. Deinsberger-Deinsweger geht von 6 Grundbedürfnissen des Menschen an sein Wohnumfeld aus, welche bei der nachhaltigen Bauplanung berücksichtigt werden sollten:

  1. Schutzbedürfnis
  2. Kontaktbedürfnis
  3. Kontrollbedürfnis
  4. Aktivitäts- und Passivitätsbedürfnisse
  5. Wachstumsbedürfnis
  6. Kongruenzbedürfnis
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Im Klartext heißt dies, dass ein Gebäude Schutz vor äußerlichen Einflüssen bieten soll, Raum für Interaktion und Austausch lässt, der Mensch den Wohnraum nach seinen eigenen Wünschen modifizieren kann, Aktivitäts- und Entspannungsmöglichkeiten gleichermaßen gewährleistet, sowie allgemein körperliches Wohlbefinden, Behaglichkeit und optische Reize gegeben sind.

Fazit

Positive Räume zu schaffen kann im Kontext des nachhaltigen Bauens zu einem tragenden Faktor unter Berücksichtigung von menschlichen Bedürfnissen werden. Dabei steht die Gesundheit des Bewohners an erster Stelle. Diese muss durch die Bauherren sowohl physisch als auch psychologisch gewährleistet werden können. Dies gelingt unter Zuhilfenahme von natürlichen Baustoffen und der Berücksichtigung von baubiologischer Expertise, sowie der Einbeziehung psychologischer Erkenntnisse in den Prozess der Bauplanung.