Antik Stein - Historische Baustoffe für nachhaltiges Bauen
Partner: Sören Niebuhr, Antik Stein
Datum: 15.11.2022

Sinnvolle Wiederverwertung
Historische Materialien
1. Herr Niebuhr, seit wann handeln Sie mit alten bzw. historischen Baustoffen und wie kam es dazu? Welcher Hauptgedanke steht hinter dem Unternehmen
2. Welche Baustoffe aus ihrem Angebot werden am häufigsten nachgefragt?
Im Grunde genommen alles, was alt ist und mit Bauen zu tun hat. Ich habe mich jedoch sehr schnell auf sogenannte mineralische Baustoffe, spricht Ziegel und Klinker sowie daraus hergestellte Antikriemchen und Bodenplatten konzentriert. Vor allem die Antikriemchen sind ein Topseller.

3. Im Bereich der nachhaltigen oder gebrauchten Baustoffe besteht politisch und wirtschaftlich noch Nachholbedarf: Was würden Sie sich am Ehesten wünschen, was den Bau mit nachhaltigen Materialien erleichtert?
Zuallererst brauchen wir einen Paradigmenwechsel bei den Anwendern, also allen Leuten, Firmen, Behörden und Bauträgern, was das Bauen an sich angeht. Da wurde in den letzten 70 Jahren aus meiner Sicht komplett in die falsche Richtung gedacht. Quasi das Gegenteil von Nachhaltigkeit bestimmt bis heute die Handlungsweise. Machen die Menschen und Unternehmen nicht mit, nützen politische Programme und Ziele recht wenig. Ich kann jedoch beobachten, da so langsam ein zartes Pflänzchen an Bewusstheit entsteht, dass ebenso in diesem Bereich dringender Handlungsbedarf besteht. Vorstellbare wäre zudem, dass zumindest für eine Übergangszeit der sogenannte selektive Rückbau mit Subventionen gefördert wird, bis da eine stabile Nachhaltigkeits-Wirtschaft entstanden ist, die sich auch wirtschaftlich tragen kann. Ich persönlich habe durch mein Handeln bewiesen, dass dies auch ohne fremde Hilfe geht, kann jedoch versichern, das war ein im wahrsten Sinne des Wortes steiniger Weg. Nur Idealisten tun sich bisher solche Risiken und Härten an! Kurz gesagt, ihre Plattform, Klimabauheld, ist schon ein sehr guter Anfang, um mehr Bewusstsein für dieses Thema in den Alltag zu bringen.
4. Kann man sich alte Baustoffe in irgendeiner Form zertifizieren lassen?
Ja, das geht. Z. B. können alte Ziegel und Klinker vor dem Rückbau und vor der Verarbeitung und anschließenden Vermarktung in einem Baulabor auf ihre physischen Eigenschaften und ihren Zustand, sowie die Beschaffenheit getestet, sowie anschließend zertifiziert werden.
Das ist mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden, die ich derzeit so nicht auf den Endpreis anrechnen kann. Aktuell ersetze ich diese wichtige Kontrollfunktion durch meine langjährige Erfahrung, die ich mir in diesem Segment durch ständige Praxis und anhaltende Weiterbildung, durch Eigenrecherche angeeignet habe. Auch dafür brauchen wir in Zukunft die Unterstützung aus Politik und Verwaltung, ohne das durch zu viel Bürokratie überzuregulieren.

5. Welchen Vorteil haben historische Baustoffe und wofür werden sie meistens verwendet, wenn Kunden diese bei Ihnen ordern?
Alte Baustoffe müssen sich nicht beweisen, sie haben aufgrund ihres hohen Alters, bei maximaler Beständigkeit schon gezeigt, dass sie solide und haltbar sind. Die meisten Interessenten verwenden historische Baustoffe, um in ihren teils neu gebauten Häusern Ambiente zu schaffen. Das reicht von der romantisch gestalteten Kaminrückwand, aus unseren Verblendern, also dünn geschnittenen Backsteinen, über Bodenplatten, ebenso geschnitten aus alten Ziegeln, für einen schönen Landhausboden, bis hin zur Gartengestaltung, wie Sommerküchen, oder eine authentische Ruinenmauer, im heimischen Garten, aus unseren Rückbausteinen.

Best Practise
6. Sticht in ihrer selbstständigen Laufbahn ein Projekt eines Kunden heraus, welches Ihnen wegen Besonderheiten in Erinnerung geblieben ist?
Jedes Projekt ist auf seine Weise einzigartig. Es gibt jedoch tatsächlich einige Projekte, die mir darüber hinaus aus verschiedenen Gründen in Erinnerung geblieben sind. Exemplarisch der Bau eines Gartenpavillons im englischen, bzw. neogotischen Stil. Das Projekt wurde nahezu ganzheitlich mit von uns zur Verfügung gestellten Baumaterialien umgesetzt.
Neben den Backsteinen, historischen und handgestrichenen Biberschwanzdachziegeln, sowie alten Dachsparren, sind mir die eigens für das Projekt aus historischen massiven Sandsteinblöcken passend geschnittenen Eckelemente in Erinnerung geblieben. Diese auf Maß zu schneiden, war eine echte Herausforderung. Oder aber auch die teilweise Gestaltung, teils auch konstruktiv, bzw. statisch, der mexikanischen Erlebnisgastronomie "Espitas" in Halle/ Saale mit Backsteinen aus einem unserer Rückbauvorhaben. Besonders erwähnenswert: Die geborgenen und vom Mörtel befreiten, in dem speziellen Fall gelben Klinker, sind, nachdem sie vor Ort auf Palette gestapelt worden sind, direkt vom Rückbauvorhaben an das nahe gelegen Bauvorhaben geliefert worden. Ein glücklicher, Transportkosten sparender Umstand, der so eher selten vorkommt. Insgesamt wurden knapp 50 Paletten, bzw. über 13.000 Steine geliefert.
7. Welche Veränderung wünschen Sie sich im Segment des Handels mit nachhaltigen Baustoffen zukünftig von der Politik und den Bauherren?
Konkret wünsche ich mir eine Bezuschussung von 30 bis 50 Cent je geborgenen und wiederverwendeten alten Ziegelstein. Immerhin spart dieser den Einsatz von min. 300 ml Rohöl,
der ansonsten bei der Herstellung eines adäquaten neuen Steins anfallen würde. Das klingt erst mal nicht viel, multiplizieren sie das jedoch mal Millionen! Dieses Potenzial gibt es locker!
Ich bin ehrlich gesagt kein großer Freund von Verordnungen und Bestimmungen, eine freie Wahl und Entscheidung für nachhaltige, bzw. und oder wiederverwendete Baustoffe wäre mir am liebsten.
Dafür brauchen wir viele enthusiastische und dem Thema zugewandte Menschen, die die Idee täglich weitertragen. Aber auch ein Anreiz, der aus verschiedenen Fördertöpfen kommen könnte und die Verwendung ökologischer Materialien auch finanziell attraktiv macht, kann ich mir gut vorstellen. Wir haben zudem genug kreative, intelligente junge Menschen an unseren Unis und in der Forschung, die an der Aufarbeitung, sowie Wiedereingliederung in den Materialkreislauf forschen könnten.