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Herkunft von Baustoffen und ihre Wege zur Baustelle - kurzer Transportweg gleich ressourcenschonender Baustoff?

Was haben Baumaterialen wie Holz, Stahl, Dämmstoffe und Kunststoffe gemeinsam? Sie alle sind wesentliche Bestandteile beim Gebäudebau und seit Beginn der Corona-Pandemie knappe Güter. In den letzten Monaten haben sich die Materialengpässe auf dem Bau aufgrund der durch den Krieg ausgelösten europäischen „Import-Krise“ nochmals deutlich verschärft.

Die brancheninternen Prognosen fallen dabei ebenfalls düster aus. Das geht aus den Umfragen des ifo-Instituts hervor. 54,2 Prozent der Hochbau-Unternehmen sind im April von Lieferengpässen betroffen, 46,2 Prozent sind es beim Tiefbau. „Das sind Höchststände seit Beginn der Zeitreihe 1991“, sagt ifo-Forscher Felix Leiss. Präsident Peter Hübner vom Branchenverband HDB prognostiziert derweil "eine Entwicklung zwischen null und minus zwei Prozent" für die realen Umsätze im Bauhauptgewerbe.

Was sind eigentlich die Gründe für die seit mehr als 2 Jahren andauernden Lieferengpässe?

Übergeordnet lässt sich die Corona-Pandemie als Hauptgrund für die Engpässe nennen. Ihre Folgen sind unteranderem Arbeitskräftemangel (durch Erkrankung; Kündigung), Mangel an Lkw-Fahrern (unattraktive Arbeitsbedingungen und Mangel an Halbleitern), sowie volatiler Rohstoffpreise (die Nachfrage steigt, die Preise von Holz und anderen Baustoffen springen in die Höhe. Stark steigende Energiepreise unterstützen die Entstehung von Lieferengpässen und Preissteigerungen zusätzlich).

Doch nicht alle Lieferengpässe resultieren durch den Einfluss höherer Mächte. Oft sind es auch fragwürdige Entscheidungen, welche schwerwiegende Folgen für viele Akteure der Branche mit sich ziehen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Holz.

Holz – knapper Rohstoff oder

Lukrativer Exportschlager?

Dass Holz auf nahezu allen nationalen Importlisten steht, sollte kein Geheimnis sein. Allerdings zählt längst nicht mehr nur Tropenholz zum Objekt der Begierde, sondern mittlerweile auch Holz aus deutschen Wäldern. Dies liegt zum einen an der durch Waldbrände verursachten Verknappung des Holzangebots in den USA und der durch Käferbefall resultierenden Verknappung in Kanada, zum anderen am Exportstopp von Rohholz durch Russland. Daher haben sich die Schnitt- und Rundholzlieferungen aus Deutschland enorm erhöht. Wenn der ohnehin schon knappe Rohstoff nun lieber exportiert wird, anstatt für heimische Bauprojekte genutzt zu werden, verwundert es nicht, dass Handwerksbetriebe trotz bester Auftragslage Insolvenz anmelden müssen.

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Herkunftsangaben und Transparenz

Anstatt umweltschädliche Baustoffe zu importieren und nachhaltige Baustoffe im großen Stil zu exportieren, sollte vermehrt auf regionale Baustoffe und verkürzte Lieferketten gesetzt werden.

Anna Braune von der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) spricht von Bauprojekten, welche bereits heute weitgehend mit regionalen Materialien verwirklichbar sind. Gerade für mineralische Produkte gäbe es überall gute Quellen, die effizient genutzt werden können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Regionalität nicht immer gleichzusetzen ist mit Nachhaltigkeit. Der durch den Transport ausgestoßene CO2-Anteil ist zwar nicht zu vernachlässigen, jedoch müssen für die Bewertung eines Baustoffs stets alle Faktoren herangezogen werden. Dabei dient die sogenannte Graue Energie als Bemessungsgrundlage: Je geringer die notwendige Energiemenge für Gewinnung, Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aller Bauteile ist, desto ökologischer ist das Gesamtergebnis.

Oft wird beispielsweise angenommen, dass Holz im Gegensatz zu anderen Baumaterialien besonders ökologisch sei. Jedoch kann man diese Aussage so pauschal nicht tätigen. Holz kann nur dann umweltfreundlich und klimaneutral sein, wenn es aus kontrollierter nachhaltiger Waldbewirtschaftung und im Idealfall aus lokalem Umfeld stammt. Denn meist wird Holz hunderte oder gar tausende Kilometer transportiert. Wohingegen andere Baustoffe, wie Zement, Ziegel, Beton und Putze für gewöhnlich aus der unmittelbaren Umgebung stammen. Jedoch ist auch hier die Herkunft nicht immer ausschlaggebend.

So kann ein Ziegel, welcher im Nachbarort mit Hilfe fossiler Energieträger hergestellt wurde, eine deutlich schlechtere Ökobilanz aufweisen, als ein mit regenerativen Energien hergestellter Ökoziegel aus Spanien. Auch wenn sich Deutschland als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sieht, sieht es in der Praxis oft anders aus. Viele Länder konnten ihre Energieproduktion bereits deutlich umweltfreundlicher gestalten, sodass ihre Unternehmen wesentlich sauberer produzieren können.

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Es wird schnell deutlich, dass es nicht ganz einfach ist, auf den ersten Blick zu erkennen, welche Baustoffe nun wirklich nachhaltig sind und welche nicht. Daher ist Transparenz ein besonders wichtiger Faktor für die Bestimmung von nachhaltigen Rohstoffen.

Es verwundert also nicht, dass die Initiative Bau!Massiv! bereits 2015 eine allgemein verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Baustoffen forderte, welche bis heute nicht verwirklicht werden konnte. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten, um Auskunft über die Umweltwirkungen eines Baustoffes zu erhalten. Mit Hilfe von sogenannten EPDs (Environment Product Declarations), werden Bauprodukte wissenschaftlich fundiert und nach einheitlichen, internationalen Standards deklariert. EPDs enthalten quantitative Informationen, wie beispielsweise den Ressourcen- und Energieeinsatz; Hinweise zur Lebensdauer, sowie Möglichkeiten des Recyclings und der Entsorgung.

Wie eine EPD im Detail aussieht, können Sie hier nachschlagen.

Zukünftige Entwicklung der Lieferketten

In den vergangenen Jahren sowie durch die jetzige Situation in Europa mussten wir feststellen, dass die so sicher geglaubten Lieferketten nur bedingt zukunftsfähig sind und ihre Struktur instabil ist. Durch die neuen Herausforderungen hat sich glücklicherweise schon einiges verändert.

Eine aktuelle Umfrage der globalen Strategieberatung L.E.K. Consulting zum europäischen Baugewerbe zeigt, wie Handwerker verschiedener europäischer Staaten (darunter auch Deutschland) die benötigten Werkzeuge, Produkte und Materialien beschaffen.

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Die Ergebnisse zeigen auf, dass herkömmliche Lieferketten für Baustoffe mit Hilfe von Digitalisierung immer stärker aufgebrochen werden. «Das Verhalten und die Erwartungen der Kunden ändern sich schnell, beschleunigt durch Covid-19 und eine jüngere, weniger erfahrene Generation von Digital Natives unter den Handwerkern und Bauunternehmern sowie durch die zunehmende Bedeutung von Onlinehändlern», erklärt Tom Diplock, Partner bei L.E.K. Consulting und Experte für Bauwesen und Baumaterialien.

Der Fakt, dass der Marktplatz-Gigant Amazon der von Handwerkern und Bauunternehmern inzwischen am häufigsten genutzte Onlineanbieter von Bauprodukten in Deutschland ist, untermalt die Umfrage-Ergebnisse eindrucksvoll.

Es kommt Bewegung in die Sache

Lieferketten und Politik

In Deutschland wurde bereits im Juni 2021 ein nationales Lieferkettengesetz beschlossen, welches als Blaupause für ein EU-Gesetz dienen sollte. Am 23.02.2022 veröffentlichte die EU-Kommission dann den lang ersehnten Entwurf. Das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein Gesetz, das die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb der gesamten globalen Lieferketten stärker schützen soll (Ausmerzen von Kinderarbeit, Ausbeutung, illegaler Abholungen, Minimieren von Pestizid-Ausstößen, sowie Luft- und Wasserverschmutzung). Hierfür definiert das Gesetz schärfere Anforderungen, wie Unternehmen in Deutschland ihre Sorgfaltspflicht erfüllen müssen. Darüber hinaus werden durch das LkSG Wettbewerbsnachteile für Unternehmen verringert, die bereits freiwillig ein nachhaltiges Supply Chain Management betreiben.

Zu früh gefreut?

Wer jetzt glaubt, dieses Gesetz würde zumindest einen Punkt bei der Erreichung vollständiger Nachhaltigkeit bedienen, irrt sich leider. Die Vorgaben des Lieferkettengesetzes gelten in Deutschland erst ab dem 01.01.2023, und das auch nur für Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (Ab 2024: Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden).

Laut DGNB sind die neuen Bestimmungen maximal als Startschuss zu betrachten. Ihrer Meinung nach wird ein Gesetz benötigt, welches viel mehr Unternehmen einschließt und dafür sorgt, dass wir die gesamte Lieferkette auf umweltschädigende und gegen Menschenrechte verstoßende Bedingungen zurückverfolgen. Gefordert wird auch eine viel stärker umweltbezogene Sorgfaltspflicht.

Es bleibt also abzuwarten, welche Bemühungen von Seiten der Politik noch unternommen werden.